"Im Garten" von Sara Wefers

Bewegungslos  sitze ich in den Büschen ihres Gartens. Alles ist still, nur ab und zu hört man den Ruf einer Eule die klare Sommernacht durchdringen.

 

Schon seit Stunden harre ich hier aus und warte geduldig auf ihre Rückkehr. Heute ist Mittwoch, das bedeutet, sie trifft sich heute mit ihren Freundinnen in ihrer Lieblingsbar.

 

Ein paar Mal bin ich ihr gefolgt, einmal saß ich sogar am Tisch direkt neben ihr. Ihre kreischenden Freundinnen wollten sie überreden, einen Möchtegern-Geschäftsmann, der an der Theke saß, anzusprechen, doch sie wollte nicht. Das zeigte mir, dass sie auf mich wartete. Schließlich weiß sie, dass wir zusammen gehören. Meine Nachrichten erreichen sie nun schon seit Wochen.

 

Ein freudiger Schauer durchfährt mich bei dem Gedanken daran, dass sie mich bald kennenlernen wird.  Aber erst einmal muss ein weiterer Liebesbrief ausreichen.

 

Heute Abend, gleich nachdem sie weggefahren war, betrat ich zum ersten Mal ihr Haus.

 

Ich wusste, dass sie einen Ersatzschlüssel in ihrem Vorgarten versteckt hat, und so war es ein Kinder­spiel hineinzukommen. Doch der Gedanke, dass irgendein Fremder so einfach in ihr Haus eindringen könnte, machte mir Sorgen. Der einzige Schutz, der ihr dann bliebe, wäre dieser Hund. Bei dem Ge­danken an diesen Köter knirschte ich eifersüchtig mit den Zähnen. Irgendwann werde ich dafür sorgen, dass er verschwindet. Aber vorerst braucht sie ihn.

 

Ehrfurchtsvoll ging ich weiter durch ihr Haus. Schon so oft hatte ich sie durchs Fenster beobachtet, doch ihr so nahe zu sein war überwältigend. Auf Anhieb fand ich ihr Schlafzimmer. Es war weiß gestrichen und nicht besonders groß, doch ihre vielen Fotos an den Wänden gaben ihm die persönliche Note. Dann begann ich mein Werk: Mit viel Mühe verteilte ich auf ihrem Bett unzählige Rosenblätter und riss die Bilder von den Wänden. Diese Erinnerungen brauchte sie nun nicht mehr, stattdessen hatte ich Platz für meinen Brief. Sorgfältig beschrieb ich mit roter Farbe die leere Wand.

 

Ich erklärte ihr, dass sie sich nicht sorgen bräuchte, denn bald würden wir zusammen sein. Wir würden weggehen, an einen Ort, wo uns keiner trennen könne. Und dort werde unsere Liebe für immer beste­hen.

 

Seitdem sitze ich hier und warte auf ihre Rückkehr. Die Büsche kratzen an meiner Haut, aber das macht mir nichts aus. Ich mache mir Gedanken, wie es weitergehen soll. Mein Plan ist, dass ich uns ein kleines Häuschen am Meer suche, da sie die Küste so sehr liebt. Dort könnten wir auch ungestört unser gemeinsames Leben beginnen.

 

Plötzlich werden meine Gedankengänge von einem Geräusch unterbrochen. Ein Auto nähert sich, der Kies knirscht unter den Reifen. Sie ist zurück gekommen.

Wenig später geht in ihrem Zimmer das Licht an. In der dunklen Nacht erkenne ich nur ihre schmale Silhouette. Sie geht ein paar Schritte, dann bleibt sie erstarrt stehen.

 

Sie schaut auf die Wand und bewundert mein Werk. Wieder und wieder liest sie meinen Brief. Es ver­geht eine Ewigkeit, bevor sie sich wieder bewegt und sich langsam an ihrem Schreibtisch abstützt. Dann wendet sie ihren Kopf und schaut in den Garten, als spürte sie, dass ich da bin. Zufrieden lächle ich. Natürlich sieht sie mich nicht. Doch bald ist es so weit.