Jan Büthe in Bonn

Von der Musikwissenschaft zur Mathematik
Rückwirkend betrachtet sind die ersten Monate nach der Schule eine Zeit, in der sich viel verändert, auch wenn einem nicht alles sofort klar wird. Viele Dinge, die man vorher als selbstverständlich angesehen hat, sind es plötzlich nicht mehr. Darum muss ich mich auch selber ein bisschen belächeln, wenn ich daran denke, wie fest ich als Schüler von meiner Eigenständigkeit überzeugt war, ohne dabei an ebenso banale wie elementare Dinge wie Waschen, Kochen, Bügeln, etc. auch nur einen Gedanken zu verschwenden (wobei Bügeln das Schlimmste von allem ist). Doch der Reihe nach:
Als sich nach dem Abitur die erste Euphorie gelegt hatte (was nicht sehr lange dauerte), beschloss ich nach 14 Jahren des Sitzens, etwas körperlich zu arbeiten und mich währenddessen vor dem Zivildienst zu drücken. Ersteres gelang, Letzteres nicht. Also trat ich im Herbst meinen Zivildienst an: individuelle Schwerbehindertenbetreuung in 24-Stunden-Schichten. In dieser Zeit habe ich meine Freiheit zu schätzen gelernt, denn mit der Arbeit als solcher konnte ich ganz gut umgehen (obwohl das bestimmt nicht jedermanns Sache ist), aber an die Tatsache, 24 Stunden lang nicht mein eigener Herr zu sein, habe ich mich nie richtig gewöhnen können. Doch das Schöne an der Zeit als solcher ist, dass sie immer weiter läuft, und so gingen auch die 10 Monate Zivildienst vorbei und ich freute mich darauf, endlich wieder meinen Kopf benutzen zu dürfen.
So trat ich in Bonn mein Studium an mit der Fächerkombination Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaften. Dann trafen zwei Ereignisse zusammen, die mich zum Wechsel des Studienplatzes bewegten: Zum einen der Einstufungstest in der Musikwissenschaft, an dessen Ende der Professor sagte: „Wer das alles schon weiß, kann gehen." Also ging ich. Und zum anderen meine erste Vorlesung in Logik, von der ich so verzückt war, dass ich mich spontan entschloss, in die Mathematik zu wechseln, auch weil man in den Musikwissenschaften und der Germanistik in der Anfangsphase aus dem Frust nicht heraus kommt, wenn man in völlig überfüllten Räumen um die Luft zum Atmen kämpfen muss.
Da in der Mathematik Studienplätze generell keine Mangelware sind, ging das auch problemlos. Also habe ich jetzt fast ein Semester Mathematik und Philosophie studiert, eine Kombination, die ich durchaus empfehlen kann, denn diese Fächer zeigen sehr schön auf, was das andere Fach jeweils nicht ist, und das kann zuweilen recht hilfreich sein.
Für alle, die auch mit dem Gedanken spielen, Mathematik zu studieren, kann ich an dieser Stelle eine Warnung und Ermutigung zugleich aussprechen: Mathematik hat nichts mit dem schulischen Mathematikunterricht gemein. Diese Erfahrung mussten auch einige Kommilitonen machen, die in der Anfangsphase dachten, mit ihrem Mathe-LK-Wissen glänzen zu können. Ich vermutete schon, dass diese Stimmen recht bald verstummen würden, aber ich ahnte nicht, wie schnell das gehen sollte.
Weiterhin rechne ich es den Mathematikern sehr hoch an, dass sie ihren Studiengang so angelegt haben, dass man sehr schnell merkt, ob man dort richtig oder falsch ist. Das kann in den Geisteswissenschaften durchaus ein halbes Jahrzehnt dauern, und das finde ich den betreffenden Personen gegenüber verantwortungslos.
Aber heute musste ich auch meine erste Enttäuschung in der Mathematik hinnehmen, als ich die Klausuren vom letzten Jahr betrachtete und feststellte, dass sie zu einem großen Teil aus multiple-choice Fragen bestanden. Doch ich möchte an dieser Stelle noch nicht spotten, ich habe sie ja noch nicht erfolgreich hinter mir.
Jan Büthe, Abitur 2003