Vier Monate in England

Wie alle auf dem WJG wissen, kann man in der 11. Klasse Auslandsaufenthalte in verschiedenen Ländern machen. Ich wollte meine englischen Sprachkenntnisse verbessern und bewarb mich für das Schuljahr 2005/06 um den Platz, den die King's School in Peterborough anbot. Also schrieb ich meine Bewerbung und füllte ein paar Formulare aus. Dann folgte längeres Warten. Meine ganze Familie war neugierig, ob die Wahl auf mich fallen würde. Als Herr Eikelberg dann meine Mutter unterrichtete, dass ich der Glückliche sei, freuten sich alle. Nur meine Mutter zeigte etwas Beklommenheit, da sie nun vier Monate ohne ihren Sohn leben musste.
Ende August ging es los. Mit meinen Eltern zusammen flog ich nach Stansted, wo wir uns einen Mietwagen nahmen und nach etwa einer Stunde erreichten wir mein neues Zuhause: die Moor Farm. Unsicher betraten wir das Haus, weil niemand auf Anhieb zu sehen war. Doch dann kamen uns schon Judith, die Hausherrin, und einige Kinder entgegen. Wir begrüßten uns und unterhielten uns mit der ganzen Jacobs Family bis in den Abend hinein.
Am nächsten Tag hatten wir ein Treffen mit Herrn Elliott, dem Vizeschuldirektor. Er führte uns durch die alte Schule, die ich schon beim Schüleraustausch kennen gelernt hatte.Trotzdem war ich überrascht, wie gut sie ausgestattet ist. Für jedes Fachgebiet gibt es ein eigenes Gebäude. Zum Beispiel stehen im IT-Department ungefähr 140 Computer mit freiem Internetzugang zur Verfügung. Das machte ich mir später zunutze, um mit Freunden und Verwandten Neuigkeiten auszutauschen.
Nach der Besichtigung besorgten wir noch meine Schuluniform. Sie setzte sich aus einer schwarzen Hose, einem weißen Hemd mit Krawatte und einem bordeauxroten Jackett zusammen. Anfangs war sie etwas ungewohnt, aber daran habe ich mich schnell gewöhnt.
Eine Woche später hatte ich dann auch meinen ersten Schultag. Unsicher betrat ich die Schule mit vielen neuen Gesichtern, die aber sehr entgegenkommend waren. Plötzlich sprach mich der Direktor an, um mich zum einen zu begrüßen, aber viel mehr um mich zu ermahnen, dass meine Krawatte zu locker säße. Dadurch lernte ich schnell den Standard der Schule kennen, der sich später aber auch wieder – wie meine Krawatte - ein wenig lockerte.
Normalerweise ging mein Schultag um sieben Uhr los. Nach einem guten englischen Frühstück mit Speck und Ei nahmen zwei Kinder der Jacobs und ich den Bus. Das ein oder andere Mal haben wir diesen auch verpasst; dann fuhr Judith dem Bus hinterher, bis wir ihn erreichten.
In der Schule angekommen, wurde die Anwesenheit kontrolliert, danach folgte eine Assembly. Die Assembly ist eine Art Versammlung, die je nach Wochentag variiert. Zum Beispiel fand montags und freitags die School Assembly statt, bei der sich die ganze Schule in der alten Sporthalle versammelte. Dort nahm der Headmaster G. Longman mit einem Talar bekleidet Sportlerehrungen vor oder teilte einfach Neuigkeiten mit. Manchmal wurden auch Lieder gesungen.
Während meines Aufenthaltes gab es immer wieder Highlights, wie zum Beispiel ´Social Evenings´ oder ´House Music´. Der ´Social Evening´ ist nichts anderes als eine Stufenfete, bei der alle feiern und Spaß haben. Ganz anders war ´House Music´. Alle vier Häuser, St. Chad´s, in dem ich war, St. Peter´s, St. Oswald´s und School House, traten gegeneinander in einem riesigen Theater an. Schon Wochen zuvor wurde in den Pausen trainiert, um die Voraussetzungen zu schaffen, die begehrte Trophäe zu gewinnen.
Meine Freizeit verbrachte ich größtenteils auf der Moor Farm mit meiner Gastfamilie. Unter der Woche gab es kaum eine Möglichkeit, etwas mit Freunden zu unternehmen, da ich erst um halb fünf zu Hause war. Somit nutzte ich häufig die Zeit nach der Schule, um auf der Farm zu helfen. Ich fand es interessant, die alltäglichen Aufgaben eines Farmers kennen zu lernen. Dazu gehörte, die Kühe mit Futter und Stroh zu versorgen, die großen Maschinen zu fahren, aber auch das Aufräumen von Hof und Gebäuden. Ich lernte eine Art Gabelstapler zu fahren, mit dem ich später auch einen zweiachsigen Hänger rückwärts rangieren konnte. Übung macht den Meister! Als letztes durfte ich dann auch mit den Traktoren fahren, um die Felder zu pflügen. Obwohl es sich etwas langweilig anhört, muss ich sagen, dass ich eine Menge dabei gelernt habe.
Zu den täglichen Aufgaben auf einer Farm gehörte natürlich auch das Kochen. Es bereitete mir eine Menge Spaß, da die englische Küche sich sehr von der deutschen unterscheidet. Manchmal buk ich mit der jüngsten Tochter Rosie Flap Jack, eine Art Müsliriegel, oder auch Kekse. Zu den Spezialitäten gehörten vor allem die verschiedenen Sorten Nachtisch. Ich mochte sie alle! Und bis heute ist auch meine Familie begeistert, wenn ich die englischen Gerichte zu Hause für sie zubereite.
Ein besonderer Höhepunkt während des Aufenthaltes war der Besuch bei Judiths Eltern. Sie lebten auch auf einer Farm, ca. 150 km westlich von Peterborough in Cheadle. Der Unterschied zur Moor Farm war, dass es eine ´dairy farm´, d.h. ein Milchbetrieb war, auf dem der Tagesablauf ganz anders war. Sofort wollte ich das selber miterleben und stellte meinen Wecker auf halb sechs. Kühe Melken war angesagt! Für die meisten ist es wahrscheinlich eine dreckige Angelegenheit, aber durch die selbst gemolkene Milch am Frühstückstisch fühlte ich mich voll entschädigt. Sie ist einfach lecker!
Natürlich habe ich noch mehr in den vier Monaten in England erlebt, aber das kann ich leider nicht alles erzählen. Für mich war es eine einmalige Erfahrung. Ich habe Land und Leute kennen gelernt, neue Freunde gewonnen und meine Englisch-Kenntnisse verbessert. Eine Bewerbung um einen solchen Aufenthalt kann ich jedem empfehlen.
Dieter Renkens, Kl. 11a, 2005/06