Lisa Holst: Ein halbes Jahr in Frankreich...

Diese Idee ließ mich nicht mehr los und so habe ich meinen Standpunkt für ein halbes Jahr in die Champagne verlegt.
An einem Tag im August wurde es Wirklichkeit.
Einerseits freute ich mich, andererseits hatte ich doch ein merkwürdiges Gefühl im Bauch.
Jetzt bin ich wieder da.
Alles in allem: Es war toll!!!

-Natürlich war es nicht immer einfach: Zu Beginn meines Aufenthalts hatte ich starkes Heimweh, wie nie zuvor in meinem Leben, und einige Konflikte mit meiner Gastfamilie: Diese Probleme haben sich aber nach einigem „Aneinanderreiben“ mit anschließenden Diskussionen gelöst, und so verschwand das Heimweh dann auch nach und nach. ...
Einerseits war diese Zeit zwar hart, andererseits will ich diese Erfahrungen aber auch nicht missen, da ich glaube, daraus wirklich gelernt zu haben.

In meiner Schule, einem „Lycée“ in Rethel – einer Kleinstadt, ca. 35 km entfernt von Reims, gelegen in der Champagne, ca. 120 km nord-östlich von Paris – fühlte ich mich direkt von Anfang an einfach nur wohl.
Die französischen Lycées verfügen über eine gymnasiale Oberstufe und eine Berufsschule unter einem Dach.
Die Schüler entscheiden sich, nachdem sie die 9. Klasse am College abgeschlossen haben, ob sie die Oberstufe oder die Berufschule besuchen wollen. Eine Kantine und ein Internat sind einem Lycée meistens auch angeschlossen.
Ich besuchte die Klasse „Première L“, diese entspricht bei uns der 11. Klasse mit dem Schwerpunkt Sprachen und Literatur (l’étude des langues et la littérature). Mathematik und die Naturwissenschaften kommen mit 1 ? und 2 Std. pro Woche ziemlich kurz.
Diese Fächer werden schwerpunktmäßig in der Klasse „S“ (matières scientifiques) unterrichtet. Es gibt aber auch die Möglichkeit die Klassen „ES“ oder „STT“ zu besuchen, in denen die Fächer „Wirtschaft“ (sciences économiques) oder „Buchhaltung, Sekretariat und Betriebswirtschaft“ (la comptabilité, le secréteriat, la gestion) unterrichtet werden.
Die Schwerpunktsetzung findet nach der „Seconde“ (10. Klasse) statt, was natürlich recht früh ist, da die Wahl durchaus Auswirkungen auf das spätere Berufsleben hat.
Im Allgemeinen geht durch den Eintritt in die Schule mit 5 Jahren und die nur 12 Schuljahre alles „schneller“, als bei uns.
Anders gesagt: es sollte so sein. ...
Dadurch, dass das Schulsystem ziemlich hart ist und viel verlangt, ist es eher die Regel, als die Seltenheit, die Klasse zu wiederholen.
In meiner Klasse hätte ich eigentlich zu den Ältesten gehören müssen, fand mich dann aber unter den Jüngsten wieder, da fast alle aus meiner Klasse mindestens ein, wenn nicht sogar zwei Mal sitzen geblieben waren.
Anstrengend ist auch, dass der Unterricht oft bis 6 Uhr abends geht, und anschließend stehen auch noch Hausaufgaben an, sodass man mit seiner Freizeit sehr eingeschränkt ist.
Es kommt auch nicht selten vor, dass sogar samstags Unterricht stattfindet.
Mittags essen die meisten Schüler, mit Ausnahme der „Externen“ in der Kantine.
Als richtig „lecker“ kann man das Essen natürlich nicht jeden Tag bezeichnen, aber zusammen mit den anderen ist es meistens lustig und man erholt sich, obwohl es oft nur eine freie Stunde ist.
Mein Stundenplan sah ähnlich aus, wie der bei uns in der 11. Klasse: Mathe, Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Sport, Geschichte, Erdkunde, Biologie, Chemie, Physik und Kunst.
Die Unterrichtsstunden laufen aber ziemlich anders ab, als in Deutschland.
Auf der einen Seiten sind die Klassen viel disziplinierter, andererseits redet fast die ganze Zeit nur der Lehrer und die Schüler machen nichts anderes als mitschreiben.
Oft kam es vor, dass wir während einer Geschichtsstunde 4 Seiten mitgeschrieben haben. Letztendlich wird dann von den Lehrern auch erwartet, dass die Schüler den Stoff lernen, was durch überraschende „contrôles“ – schriftliche Tests – überprüft wird.
Die Schule ist mir, vor allem im Bereich der Fremdsprachen, nach anfänglichen Verständigungsproblemen ziemlich leicht gefallen.

Ich stelle aber dieses „Auswendiglern-System“ in Frage.
Meiner Meinung nach wird bei den Schülern dadurch die Fähigkeit zum selbstständigen und logischen Denken zu wenig gefordert. Und das ist letztendlich ja das Wichtigste, was man in der Schule lernt.

Gut gefallen hat mir hingegen, dass es zahlreiches Schulpersonal (sogenannte „surveillants“ -junge Sozialpädagogen, die sich vor allem um die Schüler aus dem Internat kümmern-, Sekretärinnen, Angestellte der Kantine, junge ausländische Studenten –die Sprachassistenten für die verschiedenen Fremdsprachen-, Krankenschwestern....), die alle ihren bestimmten Aufgabenbereich haben, sodass man bei Problemen sofort weiß, an wen man sich wenden muss.
Angenehme Stimmung herrschte in den Unterrichtsstunden meist dank der jungen und wirklich guten Lehrer.
Das C.D.I. – eine Art Bibliothek, wird von ein oder zwei Dokumentalisten überwacht, wo man die Möglichkeit hat am Computer zu arbeiten, Zeitschriften oder Tageszeitungen zu lesen oder einfach zu arbeiten -, wie auch die „Cafétéria“ – ein Ort für Freistunden , wo Musik läuft und man alles von Süßigkeiten bis hin zu Kaffee kaufen kann -, sind richtig gute Einrichtungen, die man in deutschen Schulen in dieser Form nicht findet.
Mit meinem Kunstkurs habe ich ziemlich viele Ausflüge machen können. Während der fünf Monate bin ich dadurch zwei Mal in das wunderschöne Paris gekommen, wir waren in mehreren Museen, und wir haben einen ganzen Wochenendausflug gemacht, bei dem wir drei Schlösser, u.a. in „Blois“ und in „Chaument sur Loire“, besichtigt haben.

Aufgenommen wurde ich von den anderen Schülern, sowie von den Lehrern, dem Direktor und allem anderen Schulpersonal total nett.
Ich war überall herzlich willkommen und alle haben sich „super“ um mich gekümmert, wenn ich nicht zurecht kam, was am Anfang ziemlich oft auftrat.
Man stelle sich nur vor: Ein neues Land, eine neue Sprache, nur unbekannte Menschen und eine neue Umgebung. ...
Da kommt es schon vor, dass man sich etwas verloren vorkommt. Zum Glück findet man überall nette Leute.
Ganz oft gab es aufmunternde Worte, einfach ein nettes „Va va ?“ oder ein Küsschen.

Ich habe in diesem halben Jahr echt gute Freunde gefunden.
Am Ende wurde ich sogar so mit Geschenken überschüttet, dass ich gar nicht mehr wusste, wie ich mich bedanken sollte und meine Freunde haben eine Überraschungs-Abschiedsfete organisiert..
Tränen kamen dann beim Abschied natürlich auch bei allen hoch, sowie der Wunsch sich sobald wie möglich wiederzusehen.
DAS wird zum Glück nicht unmöglich sein. (Frankreich ist ja nicht so weit weg.)
Ich habe viele tolle Erinnerungen an diese 5 Monate, und Frankreich hat einen Platz in meinem Herzen eingenommen.
Lisa Holst, Jgst 11